Die Staubbelastung in der Podologiepraxis
Die Reinhaltung der Umwelt ist spätestens nach dem „Dieselskandal“ in aller Munde. Doch wie sieht es damit in der Podologiepraxis aus?
Klaus Grünewald hat sich kritisch mit der Staubbelastung der Podologen an ihrem Arbeitsplatz auseinandergesetzt.
Die Schleif- und Fräsarbeit wurde durch die, meines Wissens in den 40er-Jahren erhältlichen, kleinen Elektromotoren sehr erleichtert. Die dabei entstehende Staubentwicklung wurde als gegeben hingenommen. Die technische Weiterentwicklung durch Staubabsaug- beziehungsweise Staubbindungssysteme ermöglichte danach ein weniger staubbelastetes Arbeiten. Später haben die Gesundheitsämter – abhängig von den Länderregelungen – einen Mundschutz vorgeschrieben.
Gefahren sind größer als gedacht
Durch einen Artikel der britischen Podiatristin Sophie Brewer in der Fachzeitschrift „Podiatry Now“ ist mir bewusst geworden, dass der in der Praxis entstehende Fräs- und Schleifstaub mehr Gesundheitsgefahren birgt, als dem Berufsangehörigen bewusst ist. Die Britische Health and Safety Executive (HSE)* stellte fest, dass die Lunge durch zu hohe Staubbelastung in der Atemluft geschädigt wird. Die Schädigung entwickelt sich nur langsam und wird erst dann bemerkt, wenn irreversible Krankheitssymptome aufgetreten sind. Das Lungengewebe kann mit Entzündungsreaktionen und unter Umständen mit sklerotischen Veränderungen reagieren [1]. Es ist somit in der heutigen Zeit unstrittig geworden, dass eine hohe Staubbelastung der Lunge eine Gefahr für die Gesundheit darstellt [2; 7].
In der Podologie kann die Lungenbelastung durch das Beschleifen des Nagels oder der Hornhaut unterschiedliche Gesundheitsprobleme verursachen:
– ein nicht allergisches Asthma,
– Atemwegsinfektionen,
– ein Lungen-Emphysem,
– die Schädigung der Augen (Konjunktivitis),
– und Entzündungssymptome der Nase (Rhinitis, Sinusitis).
Staub allein genügte, um eine Lungenerkrankung auszulösen [14]. Die Staub-inhalation verursachte bei Podologen im Durchschnitt viermal mehr Asthma als bei der übrigen Bevölkerung. Unter den Berufsangehörigen von Nagelstudios traten – laut HSE – sechsmal mehr Fälle im Vergleich zur Kontrollgruppe der im Büro arbeitenden Menschen auf [20].
Vermeidet der Mundschutz eine Staubinhalation?
Das Tragen eines Mundschutzes ist laut Aussage des Autors Jason Hodgekiss nicht in der Lage, die sehr gefährlichen kleinsten Staubteilchen auszufiltern. Hodgekiss, ein Experte in Bezug auf asbestfaserhaltige Feinstäube, betonte, dass das Tragen eines Mundschutzes die unterste Stufe für den Staubschutz einnimmt [15]. Der Grund liegt darin, dass die am meisten gesundheitsschädlichen Feinstäube für bis zu zirka zwölf Stunden in der Luft verbleiben [4]. In Bezug auf die Filtrationswirkung schützt ein gebräuchlicher Mundschutz (Abb. 1) zu 3 – 43 Prozent vor einer Teilchengröße von 0,5μm und eine Feinstaubmaske – wie sie oft in der Industrie verwendet wird – zu 42 – 51 Prozent [17, 18]. Der Nagelstaub verteilt sich überwiegend in der Luft der Praxisräume und wird kontinuierlich in die Lunge des Podologen eingeatmet.
Ein Mundschutz gehört zur persönlichen Schutzaus rüstung in der Podologiepraxis |
Drei Gramm Nagelstaub könnten täglich – geschätzt – durch die Arbeit des Podologen in einer ausgelasteten, gut frequentierten, Praxis entstehen [12]. Da 86 Prozent der Staubpartikel im Durchmesser kleiner als 0,5μm sind, können sie sich – ob mit oder ohne Mundschutz – in den Lungenalveolen einlagern. Das Einatmen der kleinsten Nagelstaubpartikel in die Lunge ist somit zu einem gewissen Umfang – trotz Schutzmaßnahmen – wenig beeinflussbar [4, 17]. Laut westaustralischem Gesundheitsdepartement dringen ultrafeine fast unsichtbare Staubpartikel zudem leichter in tiefe Lungenbereiche ein [20].
{slider=Tabelle 1 Bindung des Schleifstaubs durch Staubabsaugung im Vergleich zur Staubbindung
durch Wasserspray (nach Sophie Brewer, Podiatrist)}
Schleifstaubbindung durch Absaugung | Schleifstaubbindung durch Wasserspray |
– 86 % der Nagelstaub Partikel sind kleiner als 0,5 μm und können sich durch die Atemluft in den Lungenalveolen ablagern |
– eine befeuchtete Arbeitsfläche verhindert, dass Staubpartikel in die Atemluft gelangen. Deshalb kann Frässtaub durch Wasserspraysysteme erheblich gebunden werden |
– kleinere Staubpartikel als 1 mm werden durch das Material eines Staubbeutels nicht zurückgehalten. Er filtert nur weniger als 25 % des entstehenden Staubes |
Weitere Vorteile sind: – die Fräs- /Schleiffläche wird gekühlt; – die Kühlung der Fräs-/Schleiffläche ermöglicht höhere Umdrehungsgeschwindigkeiten womit die Leis – tung mancher rotierenden Instrumente erhöht wird; – rotierende Instrumente – wie z. B. Diamant – schleifer – setzen sich weniger zu; – evtl. entstehende Vibrationen durch schnell rotierende Fräser/Schleifer werden weniger bis gar nicht mehr wahrgenommen |
– gesundheitsschädigender Staub kann deshalb nicht vollständig im Beutel aufgefangen werden. Durch Erhöhung der Absaugwirkung kann sogar mehr Staub in die Umgebung gelangen |
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– Staub sammelt sich auf Handstücken und innerhalb der Schlauchleitung zum Staubauffangbeutel an. Wenn der Staub entfernt werden soll gelangt er in die umgebende Atemluft |
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– die Wirksamkeit der Absaugsysteme für Fräs-/Schleifstaub schwankt sehr und kann weniger als 25 % betragen |
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– ein Mundschutz schützt nicht vor dem Einatmen von feinstem Nagelstaub [19] |
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Zusätzliche Belastung
Das Arbeitsumfeld des Podologen kann – im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung – stark mit Mikroben und pilzhaltigen Staubpartikeln belastet sein [11, 12]. Die aus den Praxen entnommenen Staubproben enthielten Bakterien (Staphyloccocus aureus) sowie, neben anderen Pilzarten, auch Hefen wie zum Beispiel Candida-Arten [17].
In einem nach dem Zufallsprinzip durchgeführten Versuch entnahmen Tinley et al. [4] Abstriche aus den Nasen von 50 Podologen und als Kontrollgruppe von 45 Studenten der Ergotherapie. Eine erhebliche Anzahl der Kulturen des gesundheitsschädlichen Pilzes Aspergillus fumigatus wurden zu 44 Prozent in den Nasenhöhlen der Berufsangehörigen gefunden. Im Gegensatz dazu waren die Nasenhöhlen von nur 17 Prozent der Teilnehmer aus der Kontrollgruppe von dem oben genannten Schimmelpilz betroffen.
Der Autor Dilsad Mungan et al. [14] stellte fest, dass die ebenfalls im Nagelstaub enthaltenen Trichophyton-Arten ein auslösender Faktor dafür sein könnten, dass eine Person früher oder später an Asthma erkrankt. Die Forschungsergebnisse von Claire L. Donaldson et al. [9] lieferten einen zuverlässigen Beweis dafür, dass die tägliche Staubbelastung in der Praxis zu einer Entzündung der Lunge in Begleitung nasaler Symptome und Erkrankungen der Luftwege (wie z. B. Asthma) führen kann. Aus diesen Ergebnissen ist zu schließen, dass eher die feinsten Staubpartikel selbst, als die Erreger einer Nagel- oder Hautinfektion der Grund für die Entzündungsreaktion in der Lunge waren – ungeachtet der Beteiligung von Pilzen oder Bakterien. Eine sehr wichtige Erkenntnis dazu ist in dem Manuskript von Millar zu finden. Sie legte in einer Zusammenfassung aus 15 unterschiedlichen Studien den Einfluss der Staubinhalation in der Lunge dar [6].
Die Situation in Großbritannien
Die Britische HSE empfiehlt das Anfeuchten des Staubes als geeignetes Verfahren die Staubproduktion zu reduzieren [1]. Die Benutzung eines Wasser-
sprays bindet den Staub und verhindert, dass die feinen Partikel in die Luft gelangen [21]. Es gibt jedoch nur eine geringe Anzahl Podologen in Großbritannien, die sich um dieses Gebiet kümmern. Der Beruf erfährt außerdem nur relativ wenig Unterstützung aus der Forschung, die sich mit den Problemen der Staubbindung beschäftigt.
In Großbritannien benutzen nur 34,6 Prozent der Podologen regelmäßig einen Atem- beziehungsweise Mundschutz.
Eine Staubabsaugung besitzen dort nur 47,5 Prozent und ein Wasserspraysystem 11 Prozent der Berufsangehörigen [3, 4]. Ein Vergleich der Staubbindung mit Staubabsaugung und durch Wasserspray ist in der Tabelle 1 zusammengefasst. Obgleich die Leistungsfähigkeit der Staubabsaugung zwischen 25 – 96 Prozent schwankt, kann seine Wirksamkeit durch die Positionierung der Staubabsaugung oder durch ein Wasserspraysystem verbessert werden [10, 11, 22]. Ähnlich wie in Deutschland gelangt heute die Feinstaubbelastung mit ihren Gesundheitsrisiken mehr in die britische Öffentlichkeit [24]. In einem Arbeitsplatz-Handbuch der Britischen Trade Union Company (TUC) wurde dargelegt, dass es einen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass Krebs und Lungenerkrankungen das Ergebnis hoher Staubbelastungen sein können [25].
Ebenso hat die HSE im Jahr 2007 in einem Untersuchungsbericht dargelegt, dass in der Kosmetikbranche durch die Staubinhalation bei Schleifarbeiten an Nägeln erhebliche Gesundheitsschäden hervorgerufen worden sind [13].
Schlussbetrachtung
Es ist schwierig alle Auslöser einer Erkrankung richtig einzuschätzen und die Frage zu klären, warum ein scheinbar harmloser Staub solche Schäden verursachen kann.
Hierbei ist nicht allein der Zeitraum entscheidend, in dem man dem Schleif- beziehungsweise Frässtaub ausgesetzt ist, sondern die Tatsache, dass der Staub überhaupt entsteht. Nach meiner Überzeugung ist eine gesundheitliche Prädisposition beziehungsweise Vorerkrankung ausschlaggebend für das Ausmaß einer Gesundheitsschädigung. Nicht jeder wird sie in der beschriebenen Heftigkeit erleben oder erlebt haben.
Diese – meine – Meinung soll jedoch die Richtigkeit der Forschungsergebnisse über die Gesundheitsschädlichkeit des Feinstaubs weder anzweifeln noch in Frage stellen. Für die Betreffenden, welche die Geräte gewohnheitsmäßig benutzen, ist allein die Vorstellung Krankheiten ausgesetzt zu sein, besorgniserregend. Es gibt nur einen sicheren Weg die Staubinhalation zu vermeiden: wenn seine Entstehung in der Praxis vermieden wird. Ein Mundschutz bietet nur geringen Schutz gegen die Gesundheitsgefährdung, weil ein Großteil der Feinstaubbelastung bis zu 12 Stunden in der Umgebungsluft verbleibt. Fräser/Schleifer, die unter Wasserspray arbeiten, befeuchten das Arbeitsgebiet und verringern die Staubbelastung der Luft sehr.
Sie bieten eine Lösung dafür, die Gefahr der Staubinhalation in der Praxis stark zu reduzieren. Derzeit stehen allerdings neutrale Untersuchungen über die Effektivität der Staubbindung durch Wasserspray noch aus.
Anschrift des Verfassers:
Klaus Grünewald
Braunschweig
podologie.gruenewald@t-online.de
Ausgabe 09/10 2018
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