Studie: Frauen mit Gefäßerkrankungen sind in Deutschland mangelhaft versorgt

Foto: oatawa/Adobe Stock
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Die Versorgung von Patient*innen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) in Deutschland ist weiterhin mangelhaft: Vor allem Frauen werden häufig nicht nach den aktuellen Empfehlungen der wissenschaftlichen Leitlinien behandelt. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung.

Das Projekt GenderVasc an der Klinik für Kardiologie I des Universitätsklinikum Münster, ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss gefördertes Projekt, untersucht die Versorgungsrealität der Patient*innen mit Herz- und Gefäßerkrankungen in Deutschland mit dem Schwerpunkt von geschlechtsspezifischen Unterschieden. Als Datenquelle für Analysen dienen Routinedaten einer der größten Krankenkassen in Deutschland (AOK) und des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) der Jahre 2010 bis 2018.

Besonders Frauen werden nicht leitliniengerecht behandelt

„Unsere Analysen zeigen, dass Patient*innen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit generell und häufig nicht den Leitlinienempfehlungen entsprechend behandelt werden. Diese mangelhafte Versorgung ist bei Frauen sogar noch deutlicher als bei Männern“, führt Dr. Lena Makowski, Erstautorin der Studie, aus.

„Unsere bisherigen Ergebnisse sind beunruhigend und es bedarf einer dringenden Verbesserung in der Diagnostik und Therapie von PAVK-Patient*innen in einem so hoch entwickelten Gesundheitssystem wie in Deutschland. Hier muss seitens der betreffenden Fachgesellschaften, der Patienten-Organisationen und der Gesundheitspolitik mehr getan werden, “ erläutert PD Dr. med. Nasser Malyar, Leiter der Sektion Angiologie am Universitätsklinikum Münster und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V.

Viele Amputationen könnten verhindert werden

Die Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Rauchen, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung), eine gesunde Lebensführung sowie ein regelmäßiges Gehtraining – soweit dies möglich ist – stellen die therapeutischen Basis-Maßnahmen bei allen Patient*innen mit PAVK dar. Bei Betroffenen mit einer kritischen Extremitäten-Ischämie ist die Revaskularisation die Standardtherapie und die entscheidende Maßnahme zur Verhinderung einer Amputation. Wie in der aktuellen Studie gezeigt wurde, kommt eine Revaskularisations-Prozedur jedoch bei weniger als zwei Dritteln der Betroffenen zur Anwendung, der Anteil bei Frauen ist sogar noch niedriger als bei Männern (60,6% vs. 65,4%, P<0,001).

Empfohlene Substanzen werden zu selten verschrieben

Neben den Basis-Maßnahmen und einer Revaskularisation kommen Plättchenhemmer und Lipidsenker (vorwiegend Statine) zum Einsatz, die nachweislich die Rate an schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkte, Schlaganfälle aber auch Bein-Ereignisrate wie erneute Revaskularisation und Amputation senken. Für beide Substanzen gibt es eine überwältigende Evidenz und sie sind daher mit dem höchsten Empfehlungsgrad in den nationalen und internationalen Leitlinien versehen. Nichtdestotrotz ist die Rate der Verschreibungen dieser Substanzen bei Patient*innen mit PAVK selbst nach der Diagnosestellung weiterhin unzureichend. Auch hierbei ist die Verschreibungsrate bei Frauen niedriger als bei Männern.

„Interessanterweise zeigen unsere Analysen jedoch, dass trotz der schlechteren gefäßmedizinischen Versorgung Frauen im Langzeitverlauf im Vergleich zu Männern ein um 16 Prozent geringeres Amputations- und 5 Prozent geringeres Sterblichkeitsrisiko haben. Man kann davon ausgehen, dass die Prognose der PAVK-Patient*innen, insbesondere bei Frauen, sich deutlich verbessern könnte, wenn man die evidenz-basierten Empfehlungen konsequent umsetzte,“ sagt Dr. Makowski.

Wandel in der Forschung gefordert

Obwohl die Gesamt-Prävalenz der pAVK bei Frauen höher ist als bei Männern, sind Frauen in den Studien deutlich unterrepräsentiert. „Geschlechtsspezifische Unterschiede finden in unseren therapeutischen Entscheidungen und Empfehlungen keine Berücksichtigung, weil es noch an geschlechtsspezifischer Forschung und an entsprechenden Daten mangelt. Hier ist ein Umdenken nötig. Wir brauchen eine auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede fokussierte Forschung, um die Ursachen der Mangel- und Fehlversorgung zu identifizieren, um dann entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen,“ schließt PD Dr. Malyar.

Originalpublikation
Makowski L, Köppe J, Engelbertz C, Kühnemund L, Fischer AJ, Lange SA, Dröge P, Ruhnke T, Günster C, Malyar N, Gerß J, Freisinger E, Reinecke H, Feld J. Sex-related differences in treatment and outcome of chronic limb-threatening ischaemia: a real-world cohort. Eur Heart J. 2022 Feb 3:ehac016. doi: 10.1093/eurheartj/ehac016. Epub ahead of print. PMID: 35134893.

 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V. | Cornelia Meier