Fachkräftemangel noch größer

Prof. Dr. Sabine Hammer, Dekanin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften und Leiterin des Studienprojekts (Foto: Hochschule Fresenius 2018)

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Der Fachkräftemangel bei Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen ist möglicherweise noch größer als angenommen. Diesen Schluss legt eine Studie nahe, welche die Hochschule Fresenius in Idstein jetzt vorgelegt hat. An der Studie nahmen rund 1.800 Therapeuten teil, davon die Hälfte Physiotherapeuten, ein Viertel Ergotherapeuten, ein Fünftel Logopäden und fünf Prozent Podologen. Die der Studie zugrunde liegenden Umfragen wurden online durchgeführt.

Die Bundesagentur für Arbeit gibt für Ende 2017 an, dass offene Stellen für Physiotherapeuten 150 Tage unbesetzt bleiben. Die Forscher der Hochschule Fresenius haben nun ermittelt, dass die durchschnittliche Vakanzzeit für alle Therapieberufe bei 250 Tagen liegt. „Es ist davon auszugehen, dass viele Arbeitgeber freie Stellen für Therapeuten nicht bei der Agentur für Arbeit melden“, erläuterte Sabine Hammer, Dekanin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften an der Hochschule Fresenius und verantwortliche Leiterin des Studienprojekts. Der akute Fachkräftemangel spiegele sich auch in den Wartezeiten der Patienten wider, die im Schnitt 30 Tage auf einen Behandlungsplatz warten müssten – in der Spitze sogar 50 Tage.

Höhere Vergütung bei akademischem Abschluss
Seit der Abkopplung von der Grundlohnsummenanbindung sowie des Gesetzes zur Erhöhung der Leistungsvergütungen im April 2017 sind die Löhne der angestellten Therapeuten laut Studie im Durchschnitt um drei bis dreieinhalb Prozent gestiegen, das Einkommen der Selbstständigen und Praxisinhaber um vier bis fünf Prozent. Aber: Vom durchschnittlichen Bruttomonatslohn aller in Deutschland Berufstätigen sind die Therapeuten und Therapeutinnen nach wie vor weit entfernt. Ein Grund, warum 85 Prozent an einer beruflichen Gratifikationskrise leiden. Für sie stehen Einsatz und Belohnung in einem Ungleichgewicht. Weitere Faktoren in diesem Zusammenhang sind die mangelnde Anerkennung von Beruf und Tätigkeit sowie fehlende Entwicklungsmöglichkeiten.
Therapeuten mit akademischem Abschluss verdienen laut der Studie brutto rund 250 Euro mehr im Monat als ihre Kollegen ohne einen solchen Abschluss.

Mehr Berufsautonomie?
Neben der Akademisierung der Therapieberufe ist laut der Studie vor allem die Berufsautonomie ein Thema der Therapeuten. Lediglich knapp ein Drittel der im Rahmen der Studie Befragten hält eine ärztliche Diagnostik vor dem Therapiebeginn für unbedingt notwendig. Gut 90 Prozent fühlen sich in der Lage, Therapiebeginn, -art und -umfang selbst zu bestimmen und mit einer sogenannten Blankoverordnung zu arbeiten, die aktuell als Modell getestet wird.

Die befragten Therapeuten sind aber zurückhaltend, was ihre Erwartungen angeht: 40 Prozent denken, dass die Blankoverordnung tatsächlich regelhaft eingeführt wird. An den Direktzugang, das heißt den gänzlichen Verzicht auf den Arzt, glaubt rund ein Viertel der Therapeuten.